Und das mit einer fuer Berlin ganz passablen Wahlbeteiligung, denn die war vor Jahren nicht so sonderlich hoch. Berlin, Du hast gut gewaehlt, hast dich nicht im rechten Lager bedient und ick bin ein Berliner. Entgegen meiner sonstigen Gewohnheit hier deshalb ausnahmsweise mal was zum politischen Geschehen im eigenen Land.
Klaus Wowereit, zuletzt sehr engagiert, ist offenbar zum Popstar mutiert und das ist nichtmal negativ gemeint, denn die Leute wollen jemanden, der ihnen sympathisch ist. Sympathie zu erzeugen, heisst mitunter auch, positiv zu denken, Aufbruchstimmung zu erzeugen, den Leuten zuzuhoeren und diesen aber auch die richtigen Themen vorzusetzen. Sei es nun mit Larry Hagman auf der Buehne oder auch nicht. Am Ende hat dies funktioniert und man nimmt der Gallionsfigur der SPD einiges ab und traut dies offenbar dann auch in der Umsetzung zu, trotz hoher Stadtverschuldung. OK, eine starke Rede mit moderner Hintergrundmusik dann auf der Wahlparty.
Die ehemalige Partypartei, jetzt Butterbrot-Themenpartei, sieht dagegen einer dritten Schlappe nacheinander entgegen. Roessler sagt nichts, Lindner weist die Schuld von der neuen Fuehrungsriege, die „wusste, dass man schlechte Ergebnisse einfahren wird“. Und das alles soll auf Westerwelle zurueckzufuehren sein? Wohl kaum, denn das Kurzzeit-Gedaechtnis des Wahlvolk zaehlt und da gab es Protest gegen die letzten Euro-Schnellschuesse und die Stimmen gingen weg. Ist man im Internet unterwegs, muss man ob dem Spott darueber fast Mitleid haben. Und man merkt, hier findet nun eine starke, vielleicht die staerkste Meinungsbildung in der Zukunft, statt. Hier gelingt es der FDP nicht, irgendeine neue Klientel aufzubauen. Die angestammte Klientel geht dann den klassischen Weg hin zur CDU oder anderen.
Ausser FDP und den Linken haben dann wohl auch alle gewonnen, so konnte man jedenfalls hoeren, aber da moege der „Hoerer“ selbst das fuer sich Wichtige zwischen den Zeilen herauslesen. Bei der CDU war wenig herauszulesen. Auf jeden Fall, liebe alte Maenner, nicht nochmal die Frauen in der Generalsekretaers-Runde zusammenschreien, das bringt dann auch keine vermehrte Sympathie ein! Mit „Frau“ in der Wahl vertreten auch die Gruenen, hier wachsen die Baeume nicht ganz in den Himmel, Politik ist eben auch kein Wunschkonzert. Aber man beschwert sich nicht und macht eine bessere Figur als die Linken. Mein Geschmack sind Personenwahlen nicht unbedingt, aber neben dem internen Aerger, den sich die Linken selbst verschuldet haben, mangelt es auch an Persoenlichkeiten.
Die Piratenpartei war mit zwei Vertretern im Fernsehen. Gefuehltes Gymnasiumalter, aber trotzdem willkommen und erstmal garnicht verkehrt. Da wird dann auch verziehen, dass man naiv betont, immerhin 40 Seiten Wahlprogramm zu haben. Wer in der Blogosphaere unterwegs ist, wird jedenfalls auf ganz verschiedene Meinungen stossen. Denn da finden sich viele, die eine neue „Netzpolitik“ einfordern – kontrovers zu denen, die fragen „Was ist das ueberhaupt?“. Ja, wir haben nunmal nur eine Erde (Version 1.0) und Politik verwaltet und gestaltet das wirkliche Leben. Da ist dann das Internetz auch nur ein Teil davon und nicht umgekehrt, genauso wie Nerds, Sysadmins und Webarbeiter. Was man also sonst noch zu bieten hat, dass sollte man als echter Pirat dann auch auf die Tagesordnung legen. Dazu ist dann im Abgeordnetenhaus von Berlin genug Gelegenheit jetzt.
Das Internet wird bleiben, schafft es die Piratenpartei weiter, wir werden sehen. Auch die Probleme der Stadt werden bleiben, flankiert von den ganzen Problemen, die Euro und Europa in diesen Tagen immer wieder in die Schlagzeilen bringen. Da waere es dochmal gut, eine Politik in Berlin zu haben, die Kante zeigt und sich selbst treu bleibt. Naemlich fuer Bildung und Arbeit in der Stadt sorgt. Das geht nur mit genuegend wirtschaftlicher Kraft (damit ist es wohl noch nicht genuegend bestellt), neuen Ressourcen, neuen Medien, neuen Ideen.
Moment mal, dass man so alles im Zusammenhang gleich nennen muss, hmm, komisch oder?
Aber so ist das nunmal im wirklichen Leben …